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Die Euthanasie in der deutschsprachigen Literatur und Publizistik des 20. und 21. Jahrhunderts
Abstrakt (PL)
Der Begriff Euthanasie stammt aus dem Altertum und bedeutete einen guten Tod, der sich schmerzlos, schnell und würdevoll vollzog. Basierend auf dieser Auffassung des Wortes Euthanasie würde es von Mitgefühl und Nächstenliebe zeugen, wenn man jemanden die Euthanasie wünschen würde. Aus der Antike stammt auch der Eid des Hippokrates, welcher als moralische Richtlinien für Ärzte gilt. Doch seine Inhalte wie auch seine Bezeichnung haben sich im Laufe der Zeit geändert. Aktuell werden diese moralischen Regeln als Ärztegelöbnis bezeichnet und dieses Gelöbnis beinhaltet unter anderen nicht mehr, dass man keiner Frau zum Schwangerschaftsabbruch verhelfen sollte und niemandem, nicht mal auf sein Verlangen ein todbringendes Mittel verabreichen dürfe. Die Abtreibung wurde als erstes in Europa durch Adolf Hitler legalisiert und ist bis heute in Deutschland in gewissen Fällen zugelassen. Es ist verständlich, dass die Regeln für Ärzte sich gemäß der sich verändernden Kultur ändern. So wird es ersichtlich, dass das Leben an sich nicht mehr die oberste Priorität hat. In Anbetracht der Tatsache, dass Europa und damit auch Deutschland zu der christlichen Kultur gehört, wo das Töten strengstens untersagt ist - nach dem Neuen Testament - so erscheint hierbei ein Widerspruch der Werte. In der Neuzeit bedeutet das gute Sterben einerseits nach dem Philosophen Thomas Morus, sich der unheilbaren Krankheit und den unvermeidlichen Schmerzen zu ergeben. Andererseits nach dem Denker Franciskus Bacon, die Erlösung des Kranken von seinem Leid und/oder die persönliche Vorbereitung auf das Ableben. Das 19. Jahrhundert gilt als die Zeit des Fortschritts. Sehr weit verbreitet war auch zu der Zeit der philosophische Gedanke von Friedrich Nietzeche, den er in seinem Werk Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen Forderungen zur Lebensbeendigung von Menschen deren Leben wertlos ist, formulierte. Für ihn waren Behinderte und Kranke ‘Volksparasiten‘. In derselben Zeit, 1883 brachte der Wissenschaftler Francis Galton den Begriff Eugenik in die Naturforschung ein. Eugenik, eine Erbgesundheitslehre, die sich damit beschäftigt, wie die gewünschten Eigenschaften sich in der Bevölkerung ausbreiten können und die unerwünschten minimalisiert werden können. Am 20. April 1889 wurde Adolf Hitler geboren, der sich in seiner Machtführung nicht nur der Philosophie von Nietzeche bediente aber auch der, zur damaligen Zeit aktuellsten Errungenschaften der Humangenetik. Die Euthanasie im Dritten Reich bedeutete Massenmorde an Kranken. Die Vernichtung des lebensunwerten Lebens wurde jedoch nicht nur aus ideologischen Gründen vorgenommen. Deutschland war im Krieg und man musste in Rüstung investieren, nicht in die Pflege von unproduktivem und schlechtem Erbgute. Um diese Machenschaften irgendwie in die Gesellschaft zu etablieren, versuchte man mit diversen Propaganda-Maßnahmen die Morde an Kranken mit Mitleid und Menschenliebe zu rechtfertigen. Später griff man aber direkt auf die faktischen Gründe zu und es wurden genaue Berechnungen publiziert, die aufzeigten wie viel die Pflege eines Kranken kosten und dass man für dieses Geld doch eine gesunde Familie ernähren könnte. In jener Zeit basierte man auch auf der Argumentation der zwei Euthanasie Befürworter, Bindig und Hoche, deren Werk Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens 1910 erschien. In ihrem Buch beschrieben die beiden Wissenschaftler, warum man geisteskranke Menschen töten und wie genau das Prozedere aussehen sollte. Von den Massenmorden und der Freizügigkeit, wenn es um das Durchführen von Experimenten an Menschen geht, haben natürlich große deutsche Pharma-, Chemie- und Maschinenbaukonzerne profitiert, wie Bayer, BASF und die Auto Union. Nach dem durch Deutschland verlorenen Zweiten Weltkrieg wurde das Land aufgeteilt in vier Besatzungszonen. Es entstanden die DDR und die BRD. Es folgten erste Prozesse der Kriegsverbrecher. Doch die wenigsten wurden gerecht verurteilt. Viele, die in den Nazizeiten tüchtig dem Regime mitgeholfen hatten, haben auch nach dem Krieg hohe Stellen besetzt. Dies zeigt sich auch in der analysierten DDR- und BRD-Presse. Es gab in den Zeitungen, die damals erschienen sind vorwiegend Publikationen, die die NS-Ärzte-Prozesse betrafen. Auch die Euthanasie wurde fast immer mit der Hitlerzeit in Verbindung gebracht. Die wenigen Beiträge, die den erforschten Begriff in seiner primären Bedeutung deuteten, berichteten vorwiegend aus dem Ausland. Nach dem Krieg bedeutete die Euthanasie in Deutschland den Mord an Kranken. In der DDR-Presse erschienen auch Beiträge, die darüber informierten, dass in der BDR ein ehemaliger Naziwissenschaftler, Werner Catel frei praktizieren und seine kontroversen Werke veröffentlichen und verkaufen darf. Die Rede war vom Buch Grenzsituationen des Lebens. Beitrag zum Problem der begrenzten Euthanasie. Catels Werk, wie bereits das von Bindig und Hoche ist ein Werk, das die Tötung Kranke, nicht nur auf deren Verlangen fordert. Doch im Vergleich zu dem Buch der zwei Wissenschaftler begibt sich Werner Catel mit seiner Rechtfertigung nicht nur in die Welt der Medizin und des Rechtes, sondern auch in die der Philosophie, Metaphysik, Physik und die der Geschichte. Sechs Jahre später wird über ein anderes Buch berichtet, sowohl in der DDR- wie auch in der BRD-Presse. Es geht um das Werk von Elisabeth Kübler-Ross, einer Schweizer Ärztin, der Gründerin der Hospizbewegung. Ihr Buch mit dem Titel Interviews mit Sterbenden soll aufzeigen, dass das Sterben zum Leben gehört und das niemand um den Tod bittet, wenn er nur menschliche, würdevolle und kompetente Pflege erfährt. In einer Rezension wird kritisiert, dass Catel sich bei seinen Thesen zu weit aus dem Fenster lehnen würde und dabei nicht mal die Ergebnisse der Arbeit von Kübler-Ross wahrnehmen würde. Kübler-Ross stoß hingegen mit ihrem Werk nur auf positive Kritik. Für sie bedeutete das gute Sterben einen schmerzlosen Ablebensprozess, nicht aber eine Tötung auf Verlangen. Auffallend ist, dass in der gegenwertigen Presse der erforschte Begriff fast zweimal mehr als in der BRD-Presse und dreimal mehr als in der DDR-Presse in seiner primären Bedeutung verwendet wird. In der Gegenwart bedeutet die Euthanasie ein Sterben auf Verlangen, ein Sterben, das die Erlösung vom Schmerz bedeutet. Es entstehen auch neue Begriffe wie passive und aktive Sterbehilfe. Also die assistierte und direkte Euthanasie. Für manche sei es bereits jetzt ein Warnsignal, dass man das Wort Sterbehilfe zum Synonym von Euthanasie machte, denn Hilfe assoziiert man positiv und Töten, egal ob auf Verlangen oder nicht, ist nicht positiv. In der gegenwertigen Presse trifft man praktisch auf keine Beiträge über die NS-Ärzte-Prozesse, was auch nachvollziehbar ist - diese sind in den 80ern zu Ende gegangen. Vielmehr berichtet man über die Allgemeinheit der NS-Verbrechen. Auch unterschiedlich zur Presse der Nachkriegszeit ist die Auswahl der Darstellungsformen, in denen der erforschte Begriff vorkommt. Wenn es nach dem Krieg eher Berichte, Meldungen und Reportagen waren, die über die Euthanasie berichteten, sind es gegenwertig öfter auch Rezensionen und Kommentare. So kann man behaupten, dass der erforschte Begriff nicht vorwiegend in informativen Darstellungsformen, sondern auch zum großen Teil in meinungsbildenden Darstellungsformen zum Vorschein kommt. Was so viel bedeutet, dass die Menschen über Euthanasie sprechen und unterschiedlicher Meinung sind. Es wird auch öfter positiv über die Euthanasie gesprochen als eine Dienstleistung, die von der Krankenkasse übernehmen werden sollte, die zugänglich für jeden sein sollte und vor deren Unerreichbarkeit man Angst hätte. Doch laut sind auch heute die Stimmen der Euthanasie-Gegner. Diese bedienen sich noch oft des Beispiels aus der Nazizeit und meinen, dass bei der Entscheidung der Kostenfaktor eine bedeutsame Rolle spielen würde. Noch ist Euthanasie in Deutschland verboten, doch in den Nachbarländern, wie Holland, Schweiz und Dänemark wird sie offiziell praktiziert. Um herauszufinden, ob die Finanzen hierbei zum Missbrauch führen könnten, hebe ich mir erlaubt die Ausgaben des Deutschen Staatsbudgets zu analysieren und gewiss, aus dem Budget für Arbeit und Soziales, welches der größter Ausgabenpunkt ist, werden 72,51% für die Rentenversicherung und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ausgegeben und 26,11% für Leistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch und gleichartige Leistungen. Im Rahmen des Budgets für Rentenversicherung und Grundsicherung im Alter bei Erwerbsminderung werden 105 328 949 000 Euro ausgegeben. Das sind 29,55% der gesamten Budgetausgaben. Warum wurde das Thema Euthanasie noch nicht geklärt? Warum befassen wir uns immer noch damit und können keine eindeutige Entscheidung treffen? Wie bereits am Anfang der Arbeit erwähnt, erinnert laut Goethe die Menschheitsexistenz an „eine etwa an einem Stamme emporlaufende Spirallinie [die] in gewissen Abständen immer wieder auf derselben Seite des Stammes ankommt und vorüberführt, aber jedes Mal ein Stockwerk höher” (Binding/Hoche, Die Freigabe, 1920, S. 28). Wir werden immer wieder uns dieselbe Frage stellen, aber alle ‘nächsten Male‘ werden wir klüger und reicher an Erfahrungen sein, deshalb könnte es sein, dass unsere Antworten sich von den früheren unterschieden werden. Zusammenfasend kann man sagen, dass die Rezeption des Wortes Euthanasie sich in Deutschland im 20. und 21. Jahrhundert verändert hat. Vom guten Gnadentod zu Massenmorden an Kranken und wieder ist eine Tendenz zu beobachten, die die Euthanasie wieder als menschenwürdiges Sterben aufkommen lässt. Der erforschte Begriff verliert auch im Laufe der Zeit an seiner Assoziation mit den Verbrechen des Dritten Reiches. Zwar betonen die Euthanasie-Gegner ein bedeutsames Missbrauchsrisiko, doch dieses wird mit gegenwertigen Umständen untermauert.